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Autorenbildsimis

Wortloses Rückgaberecht


Viele von uns, die online daten, oder bereits in einer jungen Beziehung waren, die dann abrupt endete, haben es erlebt, so oft dass es einen psychologischen Begriff dafür gibt.



Ghosting


Alle sprechen von Digitalisierung. Wir können alles online machen. Auch Menschen treffen? Unsere grosse Liebe finden? Früher lernte man einen Menschen persönlich kennen und verliebte sich. Man wusste praktisch nichts über den anderen und doch entwickelten sich Schmetterlinge im Bauch. Heute dürfen wir online aus tausenden Profilen rund um den Globus auswählen. Wir können, blond, 178-179 cm gross, 43-44 Jahre alt und maximal 20 KM Entfernungen eingeben. Zack da ist er der Wunschpartner. Oder nicht?


Ich nenne es gerne Stammdaten und einschränken der Möglichkeiten. Ein falsches Merkmal und wir wischen ihn, oder sie für immer aus unserem Leben. Menschen mit 21 Kilometer Entfernung zeigt es uns nicht einmal mehr an. Es kommt ja sicher noch ein "Profil" das unsere Anforderungen und Bedürfnisse zu 100% erfüllt. So laufen wir sicher auch nicht Gefahr uns in der geringsten Form anpassen zu müssen. Wir können den Partner komplett auf unsere Bedürfnisse und unser Leben abstimmen.


Ist dies nun Qual der Wahl, oder Wahl der Qual. Wir grenzen aus, statt ein. Füllen unsere Lücken. Aber die Liebe ist unberechenbar und missachtet unsere Stammdaten komplett und hat leider auch kein Zeitfenster, welches sich nach unseren Einflussfaktoren richtet.


Aber wo finde ich den digitalen Filter Anziehungskraft, Sympathie, Ehrlichkeit und Respekt. Gibt es digitale Regeln der Menschlichkeit? Wir schauen einen Krimi, kochen, beschäftigen uns mit irgendwas und wischen gleichzeitig Menschen in unser oder aus unserem Leben. Wir beginnen zu schreiben und oh die Suppe kocht und ach was war noch, ah ja ich war noch am Schreiben. Aber mit welchem nun von den dreien, ich lese es morgen nach und bin sicher der Mensch auf der anderen Seite ist dann noch da. Sicher?


Stellt euch Online Dating live in einer Bar vor. Ich laufe von einem Tisch zum anderen, ohne mich vorzustellen und Hallo zu sagen. Zu gross, zu klein, zu alt, zu dünn zu dick und ah, ja da ist er ja der Traumpartner, genau so muss er „aussehen“. Ich beginne den Dialog, oh da ist noch einer der mir gefällt, also spreche ich doch mit beiden. Abwechselnd! Und da ist ja noch einer. Ich laufe also von Tisch zu Tisch. Wer war jetzt nochmals der mit dem Hund und Kind und dann kommt mir in den Sinn. Oh jetzt habe die Suppe auf dem Herd vergessen und gehe wortlos ohne Tschüss zu sagen. Soweit so gut, kann jeder machen, wie er es für richtig hält, Aber wer mit halbem Herz, halber Seele und unachtsam auf Menschen trifft, kriegt am Ende was er selbst gibt. Man nennt es das Gesetz der Anziehung und hat mit unseren Schwingungen zu tun. Aber darüber schreibe ich gerne mal in einem anderen Blog.


Aber endlich hat es geklappt. Man mag sich, trifft sich und verliebt sich, schreibt sich jeden Tag die schönsten Dinge und geniesst viele gemeinsame Momente auf rosaroten Wolken. Doch irgendwann stellt sich die Realität des Lebens wieder ein. Man weiss heute, dass es ca. 3 Monate dauert bis die Honeymoon Phase vorbei ist und danach in eine geregelte Beziehung übergeht. Die exklusive Konzentration auf Partner lässt nach, was ja auch nichts Schlechtes ist und nicht bedeutet, dass man seinen Partner deshalb weniger liebt.


Leider überstehen die wenigsten Beziehungen diese Phase. Weil man anfangs vielleicht zu wenig preisgibt, nicht über seine Gefühle spricht, überfordert ist von der Veränderung, die die Beziehung in das eigene Leben bringt, oder ist noch zu sehr von der Vergangenheit geprägt. Rasch versteht man sich falsch, streitet sogar und aus den nichtigsten Gründen wird ein riesen Krach. Zack aus für immer!


Nun könnte man meinen, dass erwachsene Menschen es schaffen gemeinsam aus der Situation gehen. Stattdessen werden Anrufe nicht mehr entgegengenommen und man wird gar auf allen Kanälen blockiert. Es ist so, als sei nie etwas gewesen – als hätte man einen Geist gesehen, der geliebte Mensch ist spurlos verschwunden.


Fragen und Nachrichten bleiben für immer unbeantwortet. Das Gegenüber trifft eine Entscheidung ohne Rechtfertigung. Die gemeinsame Zeit wird mit Stille und Leere gefüllt und ein grosser Schmerz macht sich breit. Ein Beziehungsende bedeutet nicht nur, dass der Partner weg ist. Es bedeutet vor allem, dass sich alle Vorstellungen der eigenen Zukunft sofort im Nichts auflösen und sich das eigene Leben auf einen Schlag radikal verändert.


Man weiss heute, welche schwerwiegenden Folgen dies auf die Menschen hat. Menschen, die sich um Erklärungen drücken, gab es schon immer. Dennoch ist Ghosting für beide sehr schmerzhaft, es belastet das Selbstwertgefühl beider Menschen. Auch der Ghoster hat Schuldgefühle. Doch darüber reden? Für die Geister offenbar unmöglich.


Aber wer geghostet wird, bleibt hängen. Nichts scheint mehr zusammenzupassen. Lauter Fragezeichen. Was ist passiert? Was habe ich falsch gemacht? Hätte ich vielleicht…? Oder: Hätte ich besser nicht? Wie konnte ich mich so täuschen? Antworten auf diese Fragen bleiben aus. Und so wird hinter die gemeinsame Zeit nie ein Punkt gesetzt.


Der andere ist weg. Das ist seine Strategie. Aber eine sehr fatale, denn sie bringt den Geghosteten nicht weiter. Stattdessen bleibt er in der Vergangenheit kleben – im Denken, dass der andere vielleicht zurückkäme, wenn er bei sich nur etwas veränderte.


Ghosting verstört, verletzt und traumatisiert die betroffenen Personen. Innere Grundannahmen über sich selbst und über soziales Miteinander können für immer tief erschüttert sein. Fachexperten sprechen von einer posttraumatischen Verbitterungsstörung. Das ist eine psychische Störung infolge des Erlebens von Herabwürdigung oder Vertrauensbruch, gekennzeichnet durch nagende Verbitterungsgefühle, schlechte Stimmung, Rückzug aus Sozialbeziehungen und Einengung des Lebens. Betrogen zu werden, hat übrigens einen sehr vergleichbaren Effet. Den Betroffenen ist es wichtig, dass Erlebte nie mehr zu vergessen! Ein schier unheilbarer Teufelskreis.


Bitte beachtet schon beim Daten darauf, wer sich so verhält wie in der Online-Bar, wird euch schneller weh tun als euch lieb ist. Sie konsumieren Menschen zur eigenen Befriedigung und wer euch in der Honeymoon Phase, wegen dem den kleinsten Meinungsverschiedenheiten, droht die Beziehung aufzulösen, wird es auch irgendwann tun. Egal wie oft er dir das Gegenteil verspricht. Denn solche Menschen möchten ihre Erwartungen zu hundert Prozent erfüllt haben und werden versuchen diese mit allen Mitteln durchzusetzen. Schaffen sie dies nicht, sind sie weg. Nicht oft steht ein Liebesdefizit aus vergangener Zeit, meist sogar eine gestörte Eltern-Kind-Beziehung dahinter. Ihnen wurde die Liebe solange entzogen, dass sie den Rest des Leben versuchen werden, diese zu kompensieren. Schaffst du es nicht. wirst du ersetzt.


Und an die Ghoster, bitte überlegt euch gut, was ihr einem Menschen, der euch liebt mit eurem Verhalten antut, wenn ihr ihn von einer Sekunde auf die andere aus eurem Leben kippt und ihn wie ein Sack Müll vor die Türe stellt.


Viele Geghosteten, ziehen sich zurück und trauen sich nicht mehr in die Gesellschaft. Solche Erfahrungen prägen sich für immer tief in ihre Seele ein. Vielleicht werden sie nie wieder Vertrauen und eine Beziehung führen können und Rest ihres Leben Angst vor Liebe und Nähe haben. Nur weil ihr euch nicht mit euch selbst zu befassen wollt und womöglich schon in die nächste Episode stürzt.


Bequem ist es sicher, einfach sang- und klanglos zu verschwinden, Das Leid anderer Menschen ist euch gleichgültig. Es geht nur um die Befriedung eurer Bedürfnisse und Gefühle und ist purer Egoismus. So war es wahrscheinlich auch schon, als ihr noch in dieser Beziehung wart.


Es ist nie zu spät auf den Anderen zuzugehen und es tut mir Leid zu sagen.


Wenn du dich einem Menschen zuwendest, wünscht du dir dass er sich dir auch zuwendet. Also wende dich dem Menschen der sich dir zuwendet, schenke ihm die Aufmerksamkeit und Zuneigung die du dir selber wünschst.


Denn Manieren machen uns zu Menschen.


@simis in Gedanken bei all den Menschen, die das erleben mussten.






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