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Autorenbildsimis

Liebeswahn

30 Jahre Technoparty. Die Grösste, die es gibt in Europa, sagt man. Eine Million Menschen treffen sich um zu feiern. Liebesparade nennt man sie. Dass kann nur gute Stimmung, viele ausgelassene Menschen und gute Laune bedeuten.


Lange Jahre habe ich gehadert hinzugehen, so viele Menschen auf einem Haufen, die feiern. Eigentlich mag ich das nicht mal, aber alle sprechen davon. Hmm, ich bin alleine und in Stimmung Menschen zu sehen. Also ist es endlich soweit, ich wage die Street Parade.


Motiviert und gespannt schwinge ich mich auf mein Rad Richtung Bahnhof. Es ist erst 17 Uhr und schon auf dem Weg liegen die ersten Menschen benommen auf der Strasse. 20 Kilometer vom eigentlichen Geschehen entfernt.


Trotzdem wage ich es. Ich will ja nur mal schauen. Am Bahnhof. Leicht bekleidete bunt geschmückte Damen und Männer voller Testosteron in allen Altersklassen tummeln sich. Die einen sind wohl eher auf dem Heim-, statt auf dem Hinweg, so down wie sie sind.


Ich fahre trotz diesen Eindrücken mit Menschen voller Partylaune nach Zürich.


Endlich angekommen steige ich aus. Überall herrscht wildes Treiben und Hektik. Wow, so viele Menschen. Ich wandere in der Menge Richtung See. Da wo ich so oft im Sommer stimmige Stunden verbringe. Komme dem Tumult näher. Immer mehr Menschen. So fühlt sich eine Million Menschen an? Alles wird enger und langsam steigt mir ein übler Geruch in die Nase.


Alles riecht nach Alkohol, Schweiss und sehr beissendem Urin. Ich schaue mich um: so viele Menschen und ich sehe keine Toilette. Ich gehe weiter in Richtung See, alles wird lauter und enger.


Und endlich stehe vor einem dieser berüchtigten und begehrten Lovemobiles. Alt und jung tanzen in völliger Ekstase darauf und schütten teilweise Bier aus den Trucks auf die Security, die sicherstellt dass niemand verletzt wird.


Sichtlich fasziniert von dem Wahn, bahne ich mir einen Weg aus dem Getümmel, ich habe genug gesehen. Dafür bin ich eindeutig zu nüchtern. Aber der einzige Weg führt durch Bahnen von Abfall. Alles voller Scherben und Büchsen. Ich empfinde die Menschen auf dem als sehr angespannt und teilweise auch aggressiv.


Endlich habe ich mich befreit und bin sehr froh, bin ich raus aus der Menge.


So ist das also am Fest der Liebe. Ich gehe mit gemischten Eindrücken nach Hause.


Heute Morgen lese ich gespannt die Nachrichten. 900000 waren es also diesmal. Nur einer ist in den See gesprungen und ertrunken, konnte nur noch Tod geborgen werden. Die 90 Tonnen Abfall sind bereits am Morgen von der Strasse verschwunden. Die Veranstalter ziehen ein positives Fazit.


So lieben sich nun die Menschen 2022.


@ Simis, irgendwo zwischen angewidert und fasziniert. Habe ich nun ein falsches Verständnis von Liebe oder die ganze Million? 😉







37 Ansichten1 Kommentar

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1 Comment


Andi
Andi
May 26, 2023

Ich war auch da. Gelanded bin ich am Schluss alleine auf der Piazza Cella. Habe den Menschen zugesehen und dann einige interessante Begegnungen gehabt. Schade, dass das was wertvoll ist, nicht erhalten bleibt.

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